„Fremde aufnehmen“ ist eines der „Sieben Werke der Barmherzigkeit“, die seit dem Mittelalter in zahlreichen Kunstwerken dargestellt wurden. Ein Thema also, das nicht nur höchst aktuell ist, sondern bereits seit Jahrhunderten die Menschen bewegt.
In unserer Ausstellung zeigen wir nicht nur zahlreiche Kunstwerke mit den Darstellungen, sondern gehen auch in die Gegenwart und portätieren das Flüchtlingsheim in Alfen sowie den von den Alfener Bürgern gegründeten „Unterstützer Kreis“. Annalena Müller ist unsere Ansprechpartnerin, hat die Kontakte hergestellt und war auch gemeinsam mit einigen Bewohnern bei der Eröffnung unserer Ausstellung. Es war für alle eine große Freude, als sie sich auf diversen Bildern und schließlich in dem Film selbst sahen.
Heute möchten wir das Museum verlassen und zu ihnen gehen. Wir begleiten Annalena bei einem Besuch. Ein eindringlicher und berührender Bericht:
„Kleinigkeiten sind es, an denen ich immer wieder bemerke, ich treffe mit Menschen zusammen, die kein Zuhause haben. Keinen Ort an dem sie bestimmen, wer zu Ihnen kommen kann. Wem Sie die Tür nicht aufmachen. Menschen, die die Haustür nicht abschließen können. Menschen die hier in Deutschland Schutz suchen und doch schutzlos sind.
Ich bin mit Frauen verabredet, die in der Nähe von Paderborn in einer Flüchtlingsunterkunft leben. Ich will Ihnen von meinem Projekt erzählen, mit Ihnen Ihre Geschichte aufschreiben, damit wir sie im Rahmen der Caritas Ausstellung im November einer großen Zuhörerschaft vorstellen können.
Wir sind um 18 Uhr verabredet. Ich stehe vor dem Haus. Die Tür ist auf. Es gibt keine Klingel. Ich bin Gast und will nicht einfach reinplatzen. Ich setze mich erstmal auf die Bank vors Haus und schreibe eine SMS an eine Ehrenamtlerin, die sich vorwiegend um diese Wohngemeinschaft kümmert.
Ich habe Glück, sie ist im Haus und nimmt mich in Empfang. Wir treffen uns in einem Zimmer wo zwei junge Frauen untergebracht sind. Mir wird der einzige Sessel im Raum angeboten, während die anderen auf Ihren ordentlich gemachten Betten Platz nehmen. Dazu bekomme ich ein Glas Cola und die Frage was ich noch brauche, was Süßes vielleicht? Mir steckt ein Kloß im Hals. Wir sind eine nette Runde, erst fünf, nach einer Weile dann drei Frauen aus Syrien, Tibet und Eritrea. Das Eis bricht, als sie meine Schuhe sehen. Es sind abgetretene Sneakers die, zugegebener Maßen nicht zu mir passen. Ich sehe Ihre erstaunten Blicke und erkläre, dass es die Schuhe meines Sohnes sind, die ihm zu klein sind und das ich sie auftrage. Sie brechen in herzliches Gelächter aus. Die 40jährige Syrerin erzählt daraufhin von Ihren Söhnen die 15 und 17 Jahre alt sind. Sie floh, nachdem neben Ihrem Haus eine Autobombe explodierte. Die ganze Familie konnte nicht ausreisen, da hat der Familienrat beschlossen, dass sie sich zunächst allein auf den Weg macht.
Die junge Tibeterin berichtet, dass sie keinen Kontakt zu Ihren Verwandten in Tibet haben kann. Die Sorge ist zu groß, dass die chinesischen Besatzer auf ihre Flucht aufmerksam werden und ihre Familie bedrohen. Sie erzählt, dass sie nächste Woche Geburtstag hat. Sie wird 21 Jahre alt. Es tritt plötzlich Ruhe ein. Geburtstage scheinen auf der ganzen Welt Tage zu sein, die man mit seinen Liebsten verbringen möchte. Ihre Zimmergefährtin aus Eritrea nimmt sie in den Arm. Man bemerkt die Nähe der Frauen untereinander. Die Stille wird nicht künstlich unterbrochen. Wir sitzen dort schauen uns an, Taschentücher werden rausgeholt. Diese Schicksale berühren zutiefst.
An der Wand hängt eine Postkarte, auf der zu lesen ist: Home sweet home. Leicht daher gesagt. In dieser Unterkunft bekommt diese Aussage etwas Groteskes, nein Absurdes. Ich frage, ob ich die Postkarte fotografieren darf. Ja, ich darf und wir lachen wieder. Auch Ironie versteht man weltweit.
Im oberen Stockwerk warten noch zwei zauberhafte Frauen aus Algerien auf mich. Auch sie wollen mitmachen, schreiben sogar jetzt schon Gedicht über Ihre Erfahrungen und haben große Lust ein kulturelles Projekt mitzugestalten. Das Problem, ihre Aufenthaltsduldung endet im September. Zurückgehen kommt für sie nicht in Frage. Sie erzählen wie mit Ihnen als Frauen in diesem Land umgegangen wird. Sie sehnen sich nach einem freien, selbstbestimmten Leben. Ich wünsche uns allen ein Heim, wo ein Gast klingeln muss bevor er eintreten kann. Es muss kein süßes sein, ein sicheres reicht schon!“
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