In der letzten Ausstellungswoche haben wir bei uns eine Premiere der besonderen Art gefeiert: Erstmals wurde ein Poetry-Slam im Haus veranstaltet.
Moderiert hat ihn der in der Paderborner Kulturlandschaft bestens bekannte Veranstalter und Moderator von Poetry-Slams und Gründer des Lektora-Verlags, Karsten Strack.

Üblicherweise tragen die Wortkünstler bei diesem aktuell so beliebten Dichterwettstreit Beiträge zu frei gewählten Themen vor.
Doch bei uns war das etwas anders: Die 10 Teilnehmerinnen, Oberstufenschülerinnen des Gymnasiums St. Michael, unserer Kooperationsschulen, haben sich in einem vorbereitenden Workshop  zusammen mit Karsten Strack thematisch mit dem Thema „Nächstenliebe“ und speziell mit unserer Ausstellung auseinandergesetzt und Texte zu diesem Thema verfasst.

Wie kann man  mit Worten, mit künstlerisch verbalem Ausdruck, Nächstenliebe vermitteln? Welche Assoziationen, Gedanken, Fragen, Aufforderungen und Erinnerungen tauchen hier auf, die nach Worten drängen, die in Worte verpackt werden wollen? Das sind die Fragen, die sich die jungen Wortakrobatinnen gestellt haben.
Einige von ihnen waren von einzelnen Kunstwerken so fasziniert, dass sie sie direkt zum Ausgangspunkt ihrer Beiträge machten und damit  – umgekehrt betrachtet – eine poetische Brücke zu den Exponaten schlugen.
So entstanden in den beiden mehrstündigen Treffen persönliche und kreative Wortbeiträge.

Einen Slam-Text zu schreiben, damit hatten die Autorinnen schon Neuland betreten, doch sie dann als so persönliche Beiträge auch noch vor Publikum zu performen und sich einem Wettstreit zu stellen, das  erforderte eine große Portion Mut.
Die Beiträge der jungen Autorinnen, die eindringlich, einfühlsam und authentisch vorgetragen wurden, überzeugten und beeindruckten die Zuhörer. Der Applaus war jeweils langanhaltend, sodass schon ein geschultes Gehör des Moderators nötig war, um hier eine knappe Entscheidung für die Siegerin Luisa Osburg zu treffen.

 

Den Gewinner-Text von Luisa Osburg möchten wir hier präsentieren:

Kann mir mal wer verraten was gerade los ist in der Welt?

Vielleicht bin ich zu jung, um den Überblick zu kriegen, aber ich versteh immer noch nicht ganz warum Menschen sich bekriegen und frag mich ob ich das je werde.

Ich trau mich mittlerweile kaum noch in die Zeitung zu schauen, weil ich immer wieder sehe wie die Menschen Mauern bauen anstatt Brücken

Und manche lieber gegen den Islam demonstrieren, anstatt zu bemerken wie sie selbst radikalisieren und in die rechte Richtung marschieren

Was recht und was nicht, scheint leicht verschwommen, weil wer hat am Ende wirklich gewonnen wenn wir mit Krieg den Krieg bekämpfen und dabei eigentlich Frieden säen wollen?

Der Entschluss zum Töten – getroffen in Tagen, während wir bei der Füchtlingsverteilung versagen und immer mehr Länder Stacheldrähte ziehen, um sich besser zu schützen vor denen die fliehen

Vor Terror, Tyrannei und Tod

Infektionen, Katastrophen und Hungersnot

Vor dem maßlosen Elend in dieser Welt

Was ist hier eigentlich los?

Und kann mir mal wer verraten wie ich einfach so weitermachen kann?

Vielleicht bin ich zu jung um das zu wissen, aber manchmal erfasst mich dieses schlechte Gewissen weil ich weiß dass grad hunderte Menschen verrecken während ich – grad dabei den Tisch zu decken – mich darüber aufreg, dass die Milch leer ist.

Und ich mich dann wieder erschrecke, über diese Gleichgültigkeit

die Empathie reicht leider nicht so weit,

dass ich trauere, wenn sich in Mali ein Blutbad ereignet..

Bei Paris, war’s schon etwas mehr Mitgefühl, aber irgendwie bleib ich trotzdem zu kühl,

als dass es den Opfern gerecht wird

Doch wenn ein einzelner Mensch alles an sich ranlassen würd,

dann hätten die Tränen schon die Meere gefüllt und die Ufer überspült,

Aber wie oft vergess‘ ich, dass die alltäglichsten Dinge, eben nichtselbstverständlich sind

für die wichtigen Sachen, die wirklich zählen, bin ich mittlerweile fast blind

für Freiheit, Freizeit, Glückseligkeit

für Familie, Freunde, gemeinsame Zeit

ich hab so unglaublich viel, das mir hoffentlich bleibt,

aber zu oft fehlt mir einfach die Aufmerksamkeit für das menschliche Leid

Aber kann mir mal wer verraten, wie ich auch was verändern kann?

Vielleicht bin ich noch zu jung um da die Ahnung zu haben, aber wirklich etwas beizutragen?

Dabei kann ich doch nur bitter versagen, weil wie kann ich schon die Welt verbessern?

Ich reg mich lieber auf, was in der Politik alles falsch läuft

Kritisiere dann wann, wenn mich etwas enttäuscht

Aber wirklich aktiv werden? Ist nichts für mich

Werden schon andere regeln – das hoffe ich,

aber eigentlich: bin ich nur feige und faul..

Habe so schon viel Stress, sag ich mir dann,

auch wenn vielleicht schon ein wenig Zeit helfen kann,

doch mich zu binden an Pflichten und Verantwortung?

Mit sowas fang ich besser gar nicht erst an.

Ich bewundere die, die wirklich was tun anstatt nur davon zu sprechen,

die anpacken, aufrichten und damit nicht nur Mauern brechen,

sondern auch Bewusstsein schaffen,

dafür dass man vielleicht doch schon ein klein wenig bewegt,

wenn man aufsteht und sich ausspricht für Loyalität und Menschlichkeit

vielleicht hilft wirklich schon ne Kleinigkeit

wie ein Lächeln, ein Gruß, eine Tasse Tee

eine kleine Aufmerksamkeit tut doch niemandem weh

vielleicht sollte ich klein anfangen, anstatt nur groß zu denken

erstmal mich selbst verändern, bewusster werden und den wichtigen Dingen Zeit schenken
Manchmal bin ich einfach müde, weil mir so vieles nicht gefällt

Manchmal kann ich nicht mehr klar denken, weil kein Licht meine Sicht erhellt

Manchmal geb ich lieber gleich auf, aus Angst dass alles zerfällt

Manchmal bin ich einfach überfordert mit mir, meinem Leben, der Welt

Diese ganzen Gedanken und Fragen, die Antworten hab ich nicht

Vielleicht bin dafür noch zu jung, vielleicht auch einfach nur lächerlich

Aber kann mir mal wer verraten: Geht’s nicht nur mir so? Oder ist das einfach menschlich?